USA-Roadtrip Detroit bis Halifax
September 19, 2017
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USA-Roadtrip – Epische Reise 2016-2018 Teil IX
Detroit
In Detroit, Michigan, haben wir die 8000-Meilen-Marke erreicht; eine weite Fahrt hinter uns, eine noch viel weitere vor uns. Einerseits interessiert uns Detroit, weil es die Heimatstadt von Freunden aus Kalifornien ist, andererseits, ist die Stadt im Umbruch.
Der Niedergang der Automobilindustrie in der als Motor City („Motown“) betitelten Stadt war nur ein Grund, warum Detroit im Jahre 2013 Insolvenz anmelden musste.
Auf Wikipedia ist nachzulesen, dass in jenem Jahr ein Drittel der stetig schwindenden Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebte (oftmals Afroamerikaner) und eine hohe Arbeitslosenrate von 18.2% hatte. Zwischen 2000 und 2010 allein wanderte eine Viertelmillion der Bevölkerung ab.
Heute sehen wir ausserhalb der modernen City von Detroit, die allen anderen Stadtzentren gleicht, viele leerstehende, baufällige Wohnhäuser, verbarrikadierte Geschäfte und die Bahnhofsruine der Michigan Central Station, die heute als Touristenattraktion gilt.
Sehr langsam scheint sich die Stadt zu erholen. Mit trendigen Cafés, subkultureller Live-Musik, kleinen Geschäften versuchen sich Detroits Bewohner zu reorganisieren. Im Vergleich zu anderen einst als „in“ und erschwinglich geltende Städte Amerikas wie San Francisco und Austin, Texas, ist es in Detroit möglich, günstig zu leben. Natürlich, viel Geld ist bei den meisten Bewohnern ohnehin nicht vorhanden.
Das Thema Armut in Amerika beschäftigt uns auch beim Besuch der Food Bank in Detroit. Dort arbeite Rachelle, die wir vor ein paar Tagen am Abend vor der Sonnenfinsternis südlich von St. Louis kennengelernt haben. Sie hat uns während unseren Aufenthalts in Detroit zu sich eingeladen, wofür wir ihr sehr dankbar sind.
Nun führt sie uns durch ihren Arbeitsort in der Food Bank und erklärt uns, wie diese 50-jährige, gemeinnützige Hilfsorganisation Nahrungsmittel, die im Container landen würden, sammelt, organisiert verteilt und an Bedürftige abgibt. Landesweit sind die Food Banks in den Staaten vernetzt (es gibt Pendants davon auch in Europa), so können sie Lebensmittel gezielt im ganzen Land verteilen, oft durch vermittelnde Vereinigungen und privater Freiwilligenarbeit in sogenannten Soup Kitchens.
Das Gebäude der Food Bank in Detroit ist gross. Dazu gehört auch ein Gemüsegarten für Kinder, wo sie lernen können, das Lebensmittel nicht im Supermarkt wachsen und wichtig gesunde Ernährung ist.
Dieser Besuch führt uns einmal mehr vor Augen, dass „zu essen haben“ nicht selbstverständlich ist, und das der Mensch zu viel Gutem fähig ist, vor allem wenn er sich vernetzt.
An die Ostküste
Unsere Reise bringt uns weiter entlang des gewaltigen Lake Erie bis zu den Niagara-Fällen, die wir uns nicht entgehen lassen, wenn wir schon mal in der Nähe sind. Touristisch, klar, aber gigantisch, das auch.
Nicht viel weiter, am anderen Ende des Lake Ontarios, finden wir einen schönen, etwas kitschigen Ort, wo wir übernachten können: Alexandria Bay und die Eintausend Inseln in Upstate New York.
Wir sind zackig unterwegs, verbringen eine Nacht in Vermont und noch eine in New Hampshire. Die Zeit drängt etwas, die Ankunft von Serainas Eltern kommt stetig näher, deswegen erkunden wir diese sicherlich schönen Staaten nicht weiter.
Schliesslich kommen wir in Maine an, wo wir die Ostküste erreichen. Zuvor aber machen wir einen Abstecher nach Bangor.
Aus zweierlei Gründen: Erstens müssen wir unseren Van reparieren lassen (das Kühlsystem ist ausgestiegen). Der Chefmechaniker Mike und sein Team machen sich freudig an die Arbeit. Wir dürfen in der Zwischenzeit in einem Aufenthaltsraum verweilen. Da geht die Tür auf, Mike kommt rein, erzählt uns Geschichten über seinen Alltag und schnappt sich die Gitarre von der Wand. Er spiele manchmal in Bars, ob er uns ein Ständchen singen dürfe?
Na klar! So vergehen die Stunden in kurzweiliger Gesellschaft.
Als der Van startklar ist, fahren wir ein paar Strassen runter zu einem Haus, das der zweite Grund für unseren Besuch in Bangor ist: Die schöne Villa liegt in einem grünen Garten, die Vorhänge sind gezogen. Nur ein roter Ballon ist im Fenster zu sehen. Eine Anspielung zum Start der neuen Verfilmung von „Es“.
Stephen King, der mich mit seiner monströsen Fantasie schon mehr als das halbe Leben begleitet, ist aber nicht zu sehen. Dafür lichten wir sein Haus ab und fahren weiter.
Dann endlich sind wir am Atlantik. Wir wandern durch grüne Wälder, besuchen den auch bei kühlem Wetter stark frequentierten Acadia Nationalpark und gehen – wie könnte es anders sein? – Lobster essen. Einen Tipp von Mike, unserem Mech in Bangor, folgend, kehren wir im Lobster Pound an der Trenton Bridge ein, wo wir uns je einen Hummer auswählen können. Been there, done that.
Kanada
Raus aus Maine, rein nach Kanada! Wir werden vom kanadischen Wetter sintflutartig willkommen geheissen. So pausieren wir in einem Motel in Saint John, New Brunswick.
Am nächsten Tag zeigt sich die Sonne wieder. Wir fahren nach Shediac, wo wir ein Autokino ausgemacht haben. Als es eindunkelt, schauen wir uns gebannt Stephen King’s „Es“ an, aus der gemütlichen Fahrerkabine unseres Vans.
Vor dem Film haben wir uns mit einem Nachbarn des Autokinos unterhalten. Er hat uns prompt erlaubt, vor seinem Haus zu parkieren, um die Nacht zu verbringen. Am Morgen entdecken wir eine Überraschung auf dem Scheibenwischer; ein kleiner Joint für auf den Weg 😉
Weiter nach Nova Scotia, das wirklich an Schottland erinnert. Am Cape Breton erreichen wir den von Kalifornien am weitesten entfernten Punkt. Einmal quer durch Amerika, 11000 Meilen geschafft. Hoch fünf!
Das Wetter ist sehr launisch an dieser wilden Küste, aber dank traumhaften Landschaften verdirbt es uns die Wanderlust keineswegs. Wale entdecken wir leider nicht, dafür kreuzt wieder mal ein Bär unseren Pfad.
In Canso, einem kleinen Fischerdörfchen, geniessen wir ein paar Sonnenstrahlen nach zwei kalten und nassen Nächsten. Bevor wir wieder westwärts fahren, statten wir Halifax einen Besuch ab, das einige traurige Geschichten zu erzählen hat (siehe die Explosion der SS Mont-Blanc, die im Jahre 1917 einen ganzen Stadtteil zerstörte und der Swissair-Absturz 1998).
Wir haben ungefähr Halbzeit unseres insgesamt 6-monatigen Roadtrips durch die USA (und Kanada). Das wollen wir gebürtig feiern und dazu eignen sich die vielen Bars und Clubs in Halifax optimal. 1, 2, 3, 4 Bier, und dann Häfiläx.
Etwas ausserhalb des Stadtzentrums erwachen wir am nächsten Morgen auf einem Gratis-Parkplatz. Ich luge zwischen den Vorhängen durch. Jemand hat gerade ein Foto von unserem Van geschossen. Er spricht aufgeregt mit seiner Frau.
Ach ja, es ist nicht das erste Mal, das unsere kalifornischen Nummernschilder Aufmerksamkeit erregen. Wenn die wüssten, dass wir noch weiter von zuhause weg sind als Kalifornien. Ich schliesse den Vorhang und döse weiter.
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