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Road Trip USA – Epische Reise 2016-2018 Teil I
Warum immer noch reisen? Was hält mich davon ab, endlich ein normales Leben zu führen? Eigentlich hätten wir doch alles, was wir brauchen: Freunde, Familie, ein Dach über dem Kopf, immer genug zu essen.

Ich glaube, Zeit ist ein entscheidender Punkt. Ich brauche Zeit. Wenn ich keine Zeit habe, fühle ich mich unglücklich. Fange ich an, die Zeit zu vergessen, weiss ich, dass es höchste Zeit ist, etwas zu ändern.

Es beginnt damit, dass zu Hause jeden Morgen der Wecker einen aus den Träumen reisst. Keine Zeit zum Ausschlafen. Vielleicht macht es ja einen Unterschied, ob ich ihn jedes Mal von Neuem verfluche oder ob es mir nichts ausmacht, geweckt zu werden, ja ich mich sogar freuen kann, möglichst nichts vom neuen Tag zu verpassen. Ob ich jetzt zur Arbeit muss oder nicht. Trotzdem, das Einleuten des Tages stelle ich mir angenehmer vor.

Am letzten Abend vor unserer Abreise diskutierten wir bei Serainas Eltern über Stress. Dass es positiven (Eustress) und negativen (Disstress) gäbe.
Logisch, ist man dem einen zu oft ausgesetzt, was in unserer Gesellschaft üblich ist, droht das ominöse Burn-Out (was heisst Burn-Out? Woher kommt der Ausdruck? Es bedeutet einfach: Durchdrehen, Rauchen, den Faden verlieren). Disstress lässt einen abends besten Falls leer zurück.
Fühlt man sich hingegen im Leben zu wenig eugestresst, hat das nicht weniger schwere Folgen. Sie sind vielleicht subtiler, schwieriger zu erkennen.
Timothy Ferriss will in seinem Buch „Die 4-Stunden Arbeitswoche“ wissen, was das Gegenteil von Glück, Happiness, ist.

Nein, nicht Pech, auch nicht Traurigkeit. Das Gegenteil von sich glücklich fühlen ist, sich zu langweilen. Keinen Ansporn zu finden. Jeden Tag als gegeben anzusehen.
Und was ist jetzt Glück eigentlich? Spass? Freude am Leben? Ja, bestimmt. Es ist aber vor allem Aufregung. Im Leben gilt es, nach Aufregung zu streben, um es möglichst vollkommen zu machen. Stell dir vor: Ob jetzt der Wecker läutet oder nicht, du stehst morgens auf und erwartest den Tag mit Spannung. Fühlst du nicht schon das Lächeln in deinem Gesicht, während du die Decke zurückwirfst? Mit Freude hüpfst du, von mir aus mit dem linken Bein voraus, aus dem Bett und stellst dich den Herausforderungen des Tages.

Womit wir zurück wären beim Eustress. Sehe Schwierigkeiten nicht als Probleme, sondern als Herausforderungen an. Sie bringen dich in Aufruhr, verlangen dir alles ab. Hast du sie aber hinter dich gebracht, wieder ein Zwischenziel erreicht, fühlst du dich erfüllt statt ausgesaugt.
So ähnlich verhält es sich mit der Thai-Massage. Im Kurs, den ich vor Jahren absolviert habe, hiess es stets, dass es guten und schlechten Schmerz gäbe (in der Thai-Massage wird oft hoher, teilweise schmerzhafter Druck auf den Körper ausgeführt). Der Schlechte ist derjenige, der nach der Behandlung bleibt. Nicht gut. Den Guten hingegen spürt man nur im Moment des Druckes auf den Muskel. Er verwandelt sich danach in ein entspanntes, schmerzfreies Wohlgefühl. Disstress, Eustress.

Über eine Frage wundere ich mich häufig. Es gibt doch auch Leute, die gerne zur Arbeit gehen. Kann man sich denn nicht auch aufgeregt dem Alltag stellen, im Wissen, dass man bald wieder zur Arbeit darf?
Mit etwas Überlegung kam ich zum Schluss, dass die Frage falsch gestellt ist. Ich muss fragen: Kannst du das? Langweilst du dich beim täglichen Arbeiten? Fühlst du dich erfüllt im Leben? Oder nicht?
Natürlich ist es möglich, mit Freude zur Arbeit zu fahren. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und noch viel wichtiger: Ist eine Entscheidung gefallen, handle danach. Vom nichts tun, kommt nichts.
Ein treffendes Zitat dazu:

There’s no difference between a pessimist who says, „Oh, it’s hopeless, so don’t bother doing anything, “ and an optimist who says, „Don’t bother doing anything, it’s going to turn out fine anyway.“ Either way, nothing happens.
Yvon Chouinard
Oder wie schon der weise Chinese wusste, der folgendes auf einen Glückskecks schrieb:
Many a false step was made by standing still.

Zurück zu meiner ursprünglichen Frage: Warum reise ich noch immer in der Weltgeschichte herum?
Ganz einfach. Die Sicherheit der täglichen Routine langweilt mich. Ich vergesse, dass ich eigentlich soviel Zeit wie immer habe, fühle mich gedisstresst (oder dissgestresst?).
Es bildet sich ein Knopf in meinem Bauch. Zeit, zu handeln. Eher unbewusst habe ich mich also für den Eustress entschlossen. Tausend Mal lieber nicht wissen, was morgen geschieht, als zu ahnen, dass ich in einem Monat noch am selben Ort stehe. Besser jeden Tag kleine als keine Ziele erreichen. Carpe diem. Auch wenn ich hin und wieder ein paar Tage in der Hängematte liege, am Ende muss ich mich wieder aufraffen. Das Leben wartet. Von nichts kommt nichts.

Es kann losgehen
Welcome back to NIMMERWO, welcome back to the US of A!
Ich traute mich gar nicht zu fragen. Gestern Abend bei hausgemachter Pizza und kalifornischem Wein kam das Gespräch aber wie von alleine auf das Thema Präsidentschaftswahlen. Mich nahm wunder, wie Amerikaner zu dem Dilemma Hillary/Trump stehen.

Und ich hatte recht vermutet. Gerade hier in der liberalen Bay Area in und um San Francisco, wo die Marke „Land of the Free“ noch am ehesten zählt, schimpfen sie lauthals über die Kandidaten. „It’s not only embarrassing, it’s scary“, sagt Ben Cooper, den wir vor Jahren in Guatemala kennengelernt haben und der uns mit Freude bei sich in Oakland aufnimmt. Es sei nicht bloss traurig und beschämend, dass einer wie Trump Gefahr läuft, amerikanischer Präsident zu werden, es sei richtiggehend beängstigend, dass das heute, nach der Ära George W. Bush, noch passieren kann.

Er würde sogar Bush Junior Trump vorziehen. „Die Trump-Wähler sehen nicht über den Tellerrand ihrer Dörfer hinaus. Es liegt nicht in ihrer Vorstellungskraft, beispielsweise eine Reise nach Guatemala zu machen, um zu sehen, was es noch gibt ausser Amerika. Sie glauben Trumps Lügen, dass er sich um ihre Problemchen kümmern wird. Anderes interessiert sie nicht, “ erzählt Cooper weiter. „Wir müssen schlicht das Bessere der zwei Übel wählen.“

Aber jetzt genug davon. Wie wir alle wissen, führt Politik zu nichts.
Ich sitze auf der Couch – Ninja, Ben’s Katze putzt sich gerade neben mir – während sich draussen die Sonne langsam dem Horizont zuneigt und ein weiterer Sommertag sich dem Ende nähert.

Ben’s Apartment liegt in einem ruhigen Viertel in Oakland, wo wir glücklicherweise für die ersten Tag bleiben dürfen. Aber lange müssen wir seine Gastfreundschaft nicht mehr in Anspruch nehmen. Unser Van steht unten auf der Strasse, eingelöst und bereit für jedwede Untaten, die wir ihm antun wollen.

Robert aus Berlin, der darin von New York hier herübergereist ist, hat dem nachtblauen Ford bereits ein Bett einverleibt, sodass wir uns nur noch um die Küchenutensilien zu kümmern brauchen, um unser neues Zuhause auf Rädern zu vervollkommnen.

Am Freitag wollen wir losreisen, um oben im Anderson Valley unsere Freunde zu besuchen. Wenn das überhaupt gehty, sind wir ent- und gespannt zur gleichen Zeit. „Ich fühle mich, als hätte ich im Lotto gewonnen“, sagt Seraina mit einem Seufzer.

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Epische Reise 2016-18
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